Inklusion - Was t(n)un?

 

von Yvonne Sommer

 

Eltern entscheiden sich immer häufiger dafür, ihr Kind mit besonderem Förderbedarf an der (meist) wohnortnahen Regelschule unterrichten zu lassen mit dem Ziel, ihrem Kind Kontakt zu nichtbehinderten Menschen und langfristig bestmöglichen Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind auf diese Herausforderung noch nicht vorbereitet und fühlen sich überfordert.

Die Antwort auf viele Fragen rund um inklusiven Unterricht hoffe ich unten geben zu können. Falls Ihre Frage nicht dabei ist, scheuen Sie sich nicht, mich per Mail zu kontaktieren.

 

In meiner Klasse ist ein behindertes Kind mit einer Integrationshelferin / einem Integrationshelfer. Stundenweise kommt auch ein Förderschullehrer. Wer muss den Förderplan schreiben?

Verantwortlich für den Förderplan ist immer die Klassenlehrerin / der Klassenlehrer. Natürlich macht es Sinn, dass alle Personen, die mit dem Kind arbeiten, gemeinsam an einem Förderplan mitwirken. Aber die Verantwortung dafür liegt bei der Klassenlehrerin / dem Klassenlehrer.

Es ist hilfreich, eine Vorlage für einen Förderplan zu erstellen, der einheitlich an der ganzen Schule genutzt wird. Beispiele für Förderpläne gibt es im Internet, z. B. unter dem Link: http://lernarchiv.bildung.hessen.de/dia_foe/ifp/foerderplan_hkm.pdf

 

Welche Aufgaben hat die Integrationshelferin / der Integrationshelfer?

Eine Integrationshelferin / ein Integrationshelfer wird von den Eltern entweder beim Jugend- oder beim Sozialamt für die Kinder beantragt, deren Teilhabe am Unterricht aufgrund ihrer Beeinträchtigung ohne eine Unterstützung nicht möglich wäre. Über ein „Hilfeplangespräch“ wird ermittelt, welcher Unterstützungsbedarf besteht. An diesem Bedarf orientieren sich auch die Aufgaben der Integrationshelferin / des Integrationshelfers. Wenn ein Kind z. B. Hilfe beim Toilettengang, beim Essen, beim Orientieren im Schulhaus braucht, dann ist genau dafür die Integrationskraft da. Sie ist nicht dafür da, den Unterricht für ihren Schützling zu planen oder eine Differenzierung selbständig umzusetzen. Dies ist Aufgabe der Lehrerin / des Lehrers, der aber sehr wohl die Integrationshelferin oder den Integrationshelfer anweisen kann, die Schülerin / den Schüler bei der Bearbeitung einer von der Lehrkraft geplanten Unterrichtssequenz zu unterstützen.

Oft werden Integrationshelferinnen oder Integrationshelfer eingestellt, die keine pädagogische Ausbildung besitzen, deshalb dürfen sie keine pädagogischen oder unterrichtlichen Aufgaben übernehmen.

Die Protokolle der Hilfeplangespräche und damit die Beschreibung des Aufgabenfeldes der Integrationskraft finden sich in der Schülerakte oder sind über die Eltern erhältlich.

 

Was sind die Aufgaben der Förderlehrkraft?

Viele Lehrerinnen und Lehrer verstehen unter dem Förderunterricht durch eine Förderlehrkraft, dass diese kommt und mit den zu fördernden Kindern einzeln arbeitet – oft dazu noch in einem separaten Raum. Dies kann mal stattfinden, wenn wichtige pädagogische Gründe dafür sprechen, entspricht aber nicht dem Modell eines inklusiven Unterrichts!

Vielmehr plant die Förderlehrkraft, ggf. noch eine pädagogische Fachkraft, im inklusiven Modell gemeinsam mit den Regelschullehrerinnen und -lehrern den Unterricht und wirkt bei der Umsetzung mit. Sie ist nicht ausschließlich für die Kinder mit besonderem Förderbedarf zuständig, sondern alle Schü- lerinnen und Schüler sollen vom Teamteaching profitieren. Dabei sollen alle beteiligten Lehrkräfte ihre jeweiligen Fachkenntnisse einbringen.

 

Wie kann ich meinen Unterricht so planen, dass auch ein behindertes Kind davon profitieren kann?

Zunächst einmal muss ich wissen, welche Beeinträchtigung das Kind hat. Noch wichtiger ist es, die Stärken und Interessen des Kindes in Erfahrung zu bringen. Viele Schülerinnen und Schüler sind sich selbst darüber bewusst, was sie gut können und was nicht. Weitere Hinweise findet man in der Regel auch in der Schülerakte, insbesondere in den Unterlagen der Grundschule (Zeugnisse, Förderpläne etc.). Eltern sind   d i e   Experten, wenn es um ihr Kind geht. Deshalb sollten sie frühzeitig eingeladen werden, um sich über das Kind austauschen zu können. Gute Informationsquellen können auch ehemalige Lehrerinnen und Lehrer sein!

Wenn ein Kind ein Fördergutachten hat für einen bestimmten Förderschwerpunkt, heißt dies, dass die Schülerin / der Schüler auch nach dem Lehrplan dieser Förderschule unterrichtet werden muss. Deshalb ist es wichtig, sich den entsprechenden Rahmenplan anzuschauen. Die für Rheinland-Pfalz gültigen Rahmenpläne für alle Förderschulen, untergliedert nach Fächern, findet man beim Bildungsserver Rheinland-Pfalz (siehe http://lehrplaene.bildung-rp.de/)

Wenn ich weiß, welche Stärken und Interessen das Kind hat und welche Lerninhalte der Lehrplan vorsieht, dann ergibt sich die Unterrichtsgestaltung fast von selbst.

 

Ich kann mich doch nicht ständig nur um das eine Kind kümmern!

Das ist sicherlich wahr und auch nicht Ziel eines „inklusiven Unterrichts“. Die Intention, warum viele Eltern ihr Kind an die Regelschule schicken, liegt darin begründet, dass sie mit „normalen“ Kindern Umgang haben sollen. Und umgekehrt sollen auch „Nichtbehinderte“ lernen, mit Unterschiedlichkeit und Vielfalt umzugehen. Durch die Übernahme von Verantwortung für Kinder mit besonderem Förderbedarf (Patenschaften, „Wochenkindern“ usw.) profitieren so alle davon – Schülerinnen und Schüler, die lernen, Verantwortung zu übernehmen, Schülerinnen und Schüler, die dadurch Hilfe erhalten und Lehrerinnen und Lehrer, die entlastet werden. Inklusion kann nur gelingen, wenn sich die gesamte Schulgemeinschaft einbringt!

 

Die Zusammenarbeit mit der Integrationskraft funktioniert nicht!

In der Regel liegt es daran, dass für die Beteiligten nicht klar ist, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Deshalb ist es wichtig, in einem Gespräch die jeweiligen Verantwortlichkeiten zu klären und schriftlich festzuhalten.

Viele Integrationshelferinnen und -helfer sind bei einem außerschulischen Träger angestellt, dem sie weisungsgebunden sind. Viele Träger sind bereit, ihre Angestellten für die Teilnahme an Klassenkonferenzen, Teamsitzungen etc. freizustellen. Hier hilft ein Gespräch mit dem jeweiligen Vorgesetzten der Integrationskraft. Auch bei Unzuverlässigkeit, Fehlverhalten etc. ist das Gespräch mit dem Träger zu suchen.

Manche Integrationshelferinnen und -helfer sind über das „persönliche Budget“ direkt bei den Eltern angestellt, so dass die Kommunikation am besten über die Eltern laufen kann.

Einige Schulen gehen dazu über, Integrationskräfte bei der Schule anzustellen. Dies geht nur indirekt über einen Trägerverein, z. B. den Förderverein der Schule, hat aber den Vorteil, dass sich diese Integrationshelferinnen und -helfer mehr als Teil des Schulkollegiums sehen und besser in schulische Prozesse eingebunden werden können (siehe August-Becker-Grundschule Lachen-Speyerdorf: http://www.gs-august-becker.de/).

Zum Thema „Integrationshelferinnen und -helfer“ gibt es eine gemeinsame Empfehlung des MBBKJF und des Arbeits- und Sozialministeriums unter folgendem Link, indem erklärt wird, welche Aufgaben eine Integrationskraft hat und wofür sie nicht zuständig ist:

foerderung.bildung-rp.de/fileadmin/user_upload/foerderung.bildung-rp.de/Integrationshelfer/HinwUmsetzung_Empfehlung_I-Helfer_2.4.2009.pdf

 

Welche Chancen bietet inklusiver Musikunterricht?

Musik machen verbindet! Auch beeinträchtigte Kinder können sich über die Musik (nonverbal) ausdrücken und damit in Kommunikation mit anderen treten. Ich habe viele Kinder – sogar mit geistiger Behinderung – kennengelernt, die hochsensibel gegenüber Musik sind und über erstaunliche Fähigkeiten im musikalischen Bereich verfügen (z. B. sehr gutes Rhythmusgefühl, gute Singfähigkeiten etc.). Mit abwechslungsreichen und differenzierten Unterrichtssettings können diese Kinder mit viel Freude und Erfolg am gemeinsamen Unterricht mitarbeiten.

Auch Musik hören verbindet! Viele Kinder mit Beeinträchtigungen haben den gleichen Musikgeschmack wie ihre „normalen“ Klassenkameraden. Hier unterscheiden sie sich oft nicht von den nichtbehinderten Jugendlichen. Diese Gemeinsamkeit kann gezielt auch im Unterricht aufgegriffen und genutzt werden.